Mut zum Risiko

Onomotion Cargobike von HomeRide

2017 hat FIEGE begonnen, einen eigenen Ventures-Bereich als vierte strategische Unternehmenssäule aufzubauen. Mit den drei unabhängigen Bereichen XPRESS Ventures, F-LOG Ventures und Strategic Ventures bietet FIEGE Unterstützung für Start-ups in verschiedenen Entwicklungsphasen und erntet mittlerweile erste Früchte.

Sind die fetten Jahre jetzt vorbei? Fragen wie diese hört man in der Gründerszene aktuell immer häufiger. Fest steht: Durch die bisher noch unabsehbaren Langzeitfolgen der Corona-Pandemie, des Ukraine-Krieges, des Nahostkonfliktes und weiterer weltwirtschaftlicher Krisen sind viele Investoren vorsichtiger geworden, wodurch Start-up-Finanzierungen im vergangenen Jahr zurückgegangen sind. Gleichzeitig liegt in dieser Abkühlung des Marktes aber auch eine große Chance. „Weniger Risikokapital im Markt bedeutet für uns die Möglichkeit, zu vernünftigeren Bewertungen in gute Firmen investieren zu können. Durch den Boom in den vergangenen Jahren war der Venture-Capital-Markt schon ein wenig überhitzt“, sagt Felix Fiege, Co-CEO bei FIEGE, der das Unternehmen gemeinsam mit seinem Cousin Jens Fiege führt.

Durch das sich ändernde Marktumfeld rückt neben dem Wachstum der Unternehmen vermehrt auch die Profitabilität der jeweiligen Geschäftsmodelle in den Mittelpunkt. Viele Investoren konzentrieren sich stärker auf die Pflege ihrer Bestandsportfolios und sind bei neuen Investments zurückhaltender. Das wiederum sorgt bei Start-ups, die aktuell nach Finanzierungen Ausschau halten, für mehr Offenheit bei der Wahl neuer Investoren. Jens Fiege, Co-CEO bei FIEGE, ergänzt: „Für uns bedeutet das eine neue Chance, die wir nutzen möchten. Deshalb war es uns wichtig, uns strategisch noch stärker aufzustellen, um weiterhin zu investieren und als verlässlicher Partner im Markt wahrgenommen zu werden. Als familiengeführtes Unternehmen werden wir dabei für viele Start-ups immer attraktiver, weil sie den Mehrwert erkennen, den wir im Vergleich zu reinen Finanzinvestoren bieten.“

Unterstützung gesucht und gefunden

Um den Ventures-Bereich weiter auszubauen, hat FIEGE im August 2023 Dr. Bernhard Gold ins Team geholt. Als Managing Director FIEGE Ventures leitet er die bestehenden Bereiche XPRESS Ventures (Company Builder), F-LOG Ventures (Venture-Capital-Fonds) sowie Strategic Ventures und bündelt sämtliche Investmentaktivitäten auf zentraler Ebene. Felix Fiege sagt: „Es war an der Zeit, den nächsten Schritt zu gehen und unsere Ventures-Säule weiter zu stärken. Unser Ziel ist es, im Markt auf allen Ebenen der Ansprechpartner für Start-ups in verschiedenen Lebenszyklen zu sein und dabei nach neuen und disruptiven Geschäftsmodellen Ausschau zu halten. Wir freuen uns sehr, dass wir Bernhard Gold für diese Aufgabe gewinnen konnten.“

Dr. Bernhard Gold, Managing Director bei FIEGE Ventures

Dr. Bernhard Gold lenkt die Geschicke der Unternehmenssäule Ventures auf zentraler Ebene. (Foto: FIEGE)

Gold bringt umfangreiche Expertise in den Bereichen Unternehmensentwicklung, Corporate Venture Capital und Risikokapitalfinanzierung mit. Lange Jahre war er in leitender Funktion für die Venture-Capital-Sparte der Deutschen Telekom in Deutschland und den USA tätig. Zuletzt arbeitete er für verschiedene Venture Capital Fonds, seit 2010 vorwiegend im Silicon Valley. Über seine neue Rolle bei FIEGE sagt der 50-Jährige: „Die LogTech-Branche bietet speziell in Deutschland und Europa ein enormes Potenzial, das entsprechende Wettbewerbsvorteile für die FIEGE Gruppe und ihre Partner generieren kann. Hier haben die Teams unserer drei Ventures-Bereiche in den vergangenen Jahren hervorragende Aufbauarbeit geleistet. Mit einem gut gefüllten Werkzeugkoffer voller Investmentmöglichkeiten ist FIEGE damit bereits heute vielen Unternehmen im Markt voraus. Diesen erfolgreich eingeschlagenen Pfad gilt es nun weiterzugehen. Ich freue mich auf diese Herausforderung und bin dankbar, meine Erfahrungen und mein Netzwerk einbringen zu dürfen.“

Neue Investments und erfolgreicher Exit

Dass die Arbeit des Ventures-Bereichs bereits heute Früchte trägt, zeigt unter anderem das Beispiel talpasolutions. Das Start-up aus Essen entwickelt Software-Lösungen für Branchen wie die Schwerindustrie und die Logistik, die vorausschauende Datenanalysen ermöglichen. Seit 2021 ist talpasolutions im Portfolio von F-LOG Ventures und hat im März 2023 eine erfolgreiche Series-B-Finanzierungsrunde über 15 Millionen Euro abgeschlossen. Tim Gudelj, Managing Partner bei F-LOG Ventures, erklärt: „Angesichts der herausfordernden Marktlage ist das ein beachtlicher Erfolg. Wir sehen großes Potenzial in talpasolutions und freuen uns, das Gründungsteam weiterhin zu unterstützen.“

Mit XPRESS Ventures investiert FIEGE weiter in zukunftsweisende Technologien und die klugen Köpfe dahinter. Der von erfahrenen Start-up-Gründern geführte Company Builder unterstützt junge Unternehmer:innen bereits während der Gründungsphase aktiv in Produkt- und Markt-Evaluierung, Unternehmensstrukturierung, Teamaufbau und bei der Investorenansprache. So hat XPRESS im vergangenen Jahr eine Finanzierungsrunde bei dem Dortmunder Start-up Logistikbude angeführt, das eine innovative Software für digitales Management von Ladungsträgern entwickelt. Dabei wurden 2,2 Millionen Euro von namhaften Investoren gesichert. Matthias Friese, Managing Partner bei XPRESS Ventures, sagt: „Die Logistikbude ist ein perfektes Beispiel für unseren Ansatz. Das branchenerfahrene Team bedient ein elementares Teilstück der Logistik, das trotz höchster Relevanz in puncto Supply-Chain-Optimierung und -Nachhaltigkeit und bei gleichzeitig attraktivem Margen-Gerüst bisher kaum Beachtung in der Technologie gefunden hat. Wir freuen uns sehr auf die Zusammenarbeit.“

Gründerteam von Logistikbude

Die Gründer von Logistikbude (v.l.n.r.): Jan Möller, Dr. Philipp Hüning, Michael Koscharnyj und Patrik Elfert. (Foto: Logistikbude)

Darüber hinaus setzt FIEGE auch auf strategische Kooperationen im Start-up-Bereich. Andreas Pott, Director Strategic Ventures & Innovation bei FIEGE, erklärt: „Unser Ziel ist es, langfristige Partnerschaften zu knüpfen, die uns bei der digitalen Transformation voranbringen und die Strategien unserer Geschäftseinheiten unterstützen. Gleichzeitig sehen wir großes Potenzial darin, unsere Beteiligungen aktiv zu fördern und auszubauen.“ Dies könne sehr vielfältig geschehen und reiche von Co-Creation über den Aufbau gemeinsamer Nutzenversprechen bis hin zur großflächigen Anwendung der Lösung bei FIEGE, sagt Pott: „Im Idealfall ist es eine symbiotische Beziehung, die weit über eine klassische Venture-Capital-Beteiligung hinausgeht.“

Ein leuchtendes Beispiel dafür ist asellerate, ein Stuttgarter Start-up, dessen strategische Entwicklung FIEGE seit 2021 begleitet. Das Team hat eine Infrastruktur für den E-Commerce entwickelt, die es nicht nur selbst erfolgreich für seinen Automotive-Onlineshop Retromotion nutzt, sondern inklusive Beratung auch Herstellern für den Einstieg in den Direktvertrieb anbietet. Pott sagt: „Wir lernen miteinander, profitieren voneinander und treiben gemeinsam Themen wie Automatisierung, Last Mile, Property Technology oder Nachhaltigkeit – am Ende ist es eine klassische Win-Win-Situation für beide Seiten.“

Just in Case

User nutzen Retraced

F-LOG x Retraced

Viele Unternehmen beschäftigen sich damit, wie ihre Lieferketten nachhaltiger werden können. Durch das Lieferkettensorgfaltsgesetz sind die Anforderungen an ein ESG-konformes Lieferkettenmanagement weiter gestiegen. 2022 hat F-LOG Ventures in das Start-up Retraced investiert, das sich der Aufgabe angenommen hat, Unternehmen primär aus der Modebranche beim Thema Lieferkettenmanagement zu unterstützen. Tanja Rosendahl, Managing Partner bei F-LOG Ventures, sagt: „Retraced ermöglicht es, nicht nur nationalen Gesetzen gerecht zu werden, sondern auch den eigenen oder kundenseitigen Nachhaltigkeitsansprüchen. Die digitale Plattform agiert dabei als zentrale Schnittstelle zwischen allen Stakeholdern entlang einer Supply Chain.“ Zusätzlich können Anwender die komplette Lieferkette einzelner Produkte in ihren Onlineshop einbinden und so die Reise des Produktes mit den Verbrauchern teilen – mehr Transparenz geht nicht.

HomeRide-Gründer Michael Müller, Hendrik Lallensack und Mirco Meyer (v.l.n.r.)

XPRESS x HomeRide

Onlineshopping per App – das klingt nach schmelzendem Schnee von gestern. Im Falle von HomeRide allerdings nicht: Das RetailTech-Start-up entwickelt eine Technologie, die durch eine übergreifende Wareninfrastruktur erstmals den gebündelten Online-Einkauf bei verschiedenen etablierten Händlern ermöglicht. Für die Wunschzustellung über verschiedene Last-Mile-Dienstleister nutzt HomeRide ausschließlich bestehende Lager- und Lieferstrukturen und stellt damit sowohl für namhafte Ketten als auch lokale Marken eine wirtschaftlich und ökologisch nachhaltige Verkaufsplattform dar. Matthias Friese, Managing Partner bei XPRESS Ventures, sagt: „On-Demand definiert mittlerweile real den Einzelhandel. Wir sehen im Team und in der Technologie von Homeride das Potenzial, Lieferketten einen Schritt weiterzudenken und die dahinter stehenden Handelsketten mit ins Boot zu holen, anstatt gegen sie zu arbeiten. Daher freuen wir uns sehr, die technologische und operative Entwicklung von HomeRide zukünftig begleiten zu dürfen.“

Roboter fährt durch das Lager

Strategic Ventures x Magazino

Wahrnehmungsgesteuerte, kollaborative Roboter, die Lösungen für Prozesse bieten, die bisher nicht automatisierbar waren – mit diesem Versprechen weckte das 2014 gegründete Robotik-Start-up Magazino das Interesse von FIEGE. Zwei Jahre später kommissionierten bereits die ersten drei autonomen TORU-Roboter Schuhe im FIEGE Mega Center Ibbenbüren. 2017 stieg FIEGE als strategischer Investor ein und half mit, die Roboter auf das nächste Level zu heben. Gemeinsam konnte damals die noch in den Kinderschuhen steckende Technologie im Live-Betrieb weiterentwickelt und Kontakte zu weiteren Kunden geknüpft werden. Andreas Pott sagt: „Auf der gemeinsamen Reise, die mit dem Verkauf unserer Anteile endet, haben wir unheimlich viel gelernt. Dafür sind wir dankbar und freuen uns, dass von diesen Erfahrungen bereits heute viele andere Start-ups profitieren. Und natürlich werden wir Magazino als Kunde erhalten bleiben.“ Für FIEGE Ventures ist der Ausstieg bei Magazino bereits der dritte erfolgreiche Exit.